Zwiegespräch: eine Übung, die wirkt.
„Ein Paar, das nicht miteinander spricht, verlernt sich kennen.“ Michael Lukas Moeller*
Studien haben ergeben, dass Paare im Schnitt etwa vier Minuten am Tag miteinander sprechen. Und dabei geht es häufig um organisatorische Dinge. Für das Funktionieren des Alltags mag das ausreichen, doch für eine intime und dauerhafte Beziehung braucht es mehr. Denn miteinander reden, bedeutet in einer Partnerschaft immer auch, sich zu begegnen und zu berühren.
Kurz: wenn wir nicht reden, berühren wir uns nicht mehr. Die Nähe, nach der wir uns in der Partnerschaft sehnen, kann nicht entstehen.
Warum ist es aber häufig so schwer, gerade mit dem Menschen, der uns so wichtig ist, zu sprechen? Die Gründe dafür sind vielfältig: So glauben wir zum Beispiel, schon alles voneinander zu wissen. Das führt dazu, dass wir nicht mehr neugierig sind auf den anderen und auch nicht mehr wirklich zuhören. Zudem denken wir, dass der Partner uns doch genau kennt und wissen müsste, was wir brauchen. Und zwar ohne, dass wir etwas sagen müssen. Dabei wissen wir es häufig selbst nicht. Und nicht zuletzt fürchten wir uns unbewusst davor, uns dem anderen unverstellt zu zeigen, aus Angst verletzt zu werden.
Wirkliche Nähe braucht manchmal Mut. Bei einer gelungenen Paarkommunikation geht es aber genau darum, sich wahrhaftig mitzuteilen. Und das bedeutet, sich mit seiner eigenen Wahrheit, seinen Bedürfnissen, Wünschen und Ängsten dem anderen anzuvertrauen. Und manchmal bedeutet es auch, sich dem anderen zuzumuten. Dadurch schafft Paarkommunikation Intimität, denn dann gehen wir unverstellt miteinander in Resonanz – mit unseren Worten und unseren Gefühlen. Wir müssen bereit sein, uns selbst berühren zu lassen und den anderen berühren zu wollen. Dafür müssen wir uns im Klaren darüber sein, wie weit wir uns selbst eigentlich öffnen können. Was können wir dem anderen von uns wirklich Preis geben? Und wieviel Offenheit halten wir vom anderen wirklich aus?
Fahr die Firewall runter.
Die „richtigen“ Kommunikationsregeln und -techniken anzuwenden, reicht dafür nicht aus. Konstruktiv miteinander zu kommunizieren ist hilfreich und die entsprechenden Kommunikationstechniken zu kennen, nützlich. Doch nur dann, wenn wir bereit sind, hinter unsere eigene Kulisse zu schauen, unsere Firewall runterzufahren und das Risiko einzugehen, uns dem anderen unverstellt zu zeigen. Der Psychoanalytiker und Paartherapeut Michael Lukas Möller hat dafür eine Übung entwickelt, zu der ich Sie einladen möchte, wenn Sie Ihre Beziehung dauerhaft verbessern möchten: das Zwiegespräch für Paare.
Nach meiner Erfahrung sind Zwiegespräche zwar besonders am Anfang nicht immer einfach, fallen aber mit der Zeit immer leichter und werden im besten Fall zum normalen Sprachgebrauch in eurer Partnerschaft. Das Wichtigste und gleichzeitig Schwierigste ist es, dran zu bleiben. Aber die Mühe lohnt sich, denn diese Übung wirkt. Sie ist eine gute Möglichkeit (wieder) mehr Nähe, Toleranz, Vertrauen und Verständnis füreinander zu entwickeln.
So redet ihr euch glücklich!
Vereinbart einen festen wöchentlichen Termin für die Gespräche (plus einen Ausweichtermin, falls etwas dazwischen kommt). Ihr solltet völlig ungestört sein können.
Legt fest, wie lange ihr reden möchtet. Für den Anfang vielleicht 20 Minuten; später bis zu 90 Minuten.
Jeder bekommt den gleichen Zeitraum zum Sprechen. Bei 20 Minuten hat also jeder 10 Minuten Sprechzeit oder 2 x 5 Minuten. Stellt einen Timer ein.
Setzt euch gegenüber, so dass ihr euch gut sehen können. Wählt den Abstand so, dass er sich für beide gut anfühlt.
Das Thema: “Ich erzähle dir, was mich zurzeit am stärksten bewegt.“
Wichtig!
- Stell keine Fragen. Auch wenn es dich noch so sehr drängt. Fragen sind nur erlaubt, wenn du etwas wirklich nicht verstehst.
- Gib keine Ratschläge. So gut sie gemeint sind; aber es steckt schon im Wort: Ratschläge sind auch Schläge.
- Jeder redet nur über sich! Es geht nicht darum, dem anderen endlich mal, ohne unterbrochen zu werden, alles vorzuwerfen, was wir nicht mögen! Es geht darum deiner*m Partner*in etwas über dich selbst zu erzählen.
- Wer redet, darf immer ausreden und wird nicht unterbrochen. Respekt ist in Paarbeziehungen der Nährboden für Vertrauen und Sicherheit. Sich ausreden lassen, ist ein Zeichen davon.
- Schweigen ist erlaubt. Es gibt keinen Offenbarungszwang.
- Nach den Gesprächen findet kein weiterer Austausch darüber statt.
Erfahrungsgemäß dauert es einige Zeit, bis man es schafft, alle Punkte einzuhalten. Das ist ganz normal. Korrigiert euch nicht gegenseitig! Nehmt eine wohlwollende und neugierige Haltung ein. Würzt die Gespräche mit Humor.
Manchmal weiß man am Anfang nicht so recht, was man eigentlich erzählen soll. Ich empfehle, mit Themen zu beginnen, die emotional eher „ungefährlich“ für beide sind. Zum Beispiel, könnte es das Zwiegespräch selbst sein. Wie geht es mir damit? Wie fühle ich mich jetzt hier? Was denke ich darüber? Oder der Beruf: Was erlebe ich in meinem Job? Mag ich meine Arbeit? Würde ich gerne etwas verändern? Der nächste Urlaub, die Klassenfahrt der Kinder, ein Erlebnis aus dem Alltag … Tastet euch langsam vor.
Bleibt neugierig! Probieren es einfach mal aus. Ich freue mich über euer Feedback. Schreibt mir gern unter mail@ute-hofmann-coaching.de
Herzliche Grüße und viele neue, schöne und vielleicht auch manchmal überraschende Erkenntnisse über dich selbst und deine Partnerin oder deinen Partner.
Ute Hofmann
P.S. Noch ein wichtiger Hinweis: Zwiegespräche machen keinen Sinn, wenn ihr in einer massiven Krise steckt oder gerade heftig gestritten habt!
Quelle und Buchtipp: „Die Wahrheit beginnt zu zweit. Das Paar im Gespräch“, Michael Lukas Möller, Rohwohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 1992