Worum es beim Streiten eigentlich geht

2024-03-26T11:23:03+01:00

Ein Blick unter den Teppich von Auseinander-
setzungen.

Drehen sich Auseinandersetzungen immer und immer wieder um das gleiche, geht es häufig nicht um das, worum gestritten wird. Man kann sich jahrelang an Themen abarbeiten, die an der Oberfläche auftauchen. Gelöst werden die Probleme in den seltensten Fällen, weil die Ursachen woanders liegen.

Die Frage ist also nicht WORUM wir streiten sondern WARUM?

Hier kommen die sechs häufigsten Gründe, die unter den Streitthemen liegen und dafür sorgen, dass wir damit nur schwer aufhören können:

Nicht mit mir!
Angst vor Kränkung und Ohnmacht

„Nie mehr lasse ich mich verletzen, abwerten, beschämen, manipulieren, bestimmen… So wie damals als ich klein war.“Berührt das Verhalten eines anderen Menschen schmerzhafte Erfahrungen und Verletzungen aus unserer Kindheit oder früheren Beziehungen, führt das immer wieder zu Streit. Wir versuchen dann, dadurch den alten Schmerz zu vermeiden. Dabei verwechseln wir Früher mit Heute und finden keine andere Lösung, als in die Abwehr zu gehen. All das passiert unbewusst und läuft völlig automatisch ab. Sich bewusst zu werden, vor welcher Erfahrung der Streit schützen soll, ist die Basis dafür, neue und konstruktive Lösungen zu finden.

Sei wie ich!
Angst vor Unterschieden

Am Anfang unserer Beziehungen erleben wir uns als symbiotisch und miteinander verschmolzen. Aber Beziehungen und Menschen verändern sich und im Laufe der Zeit und wir entdecken immer mehr die Unterschiede. Da wir die Symbiose für Liebe halten, bekommen wir Angst, dass die Beziehung gefährdet ist und fangen an, darum zu kämpfen.
Die symbiotische Verbindung ist ein Phänomen der Verliebtheit und als Dauerzustand eine Idee der romantischen Liebe, die uns in der Literatur und in Filmen immer wieder als Liebe angeboten wird. Doch Verliebtheit ist nicht Liebe. Wenn wir mutig sind und uns erlauben können, das Anderssein, des*r Partner*in anzuerkennen, es mit Neugier zu erforschen und zu respektieren, erst dann wird aus Verliebtheit Liebe.

Sei mein*e Prinz*essin!

Schmerzhafte Enttäuschungen vermeiden
Unbewusst projizieren wir auf unsere Partner Eigenschaften, die wir uns von unserem Vater oder unserer Mutter gewünscht haben. Zeigt der Partner diese Eigenschaften nicht, müssten wir diese Ideal-Projektionen loslassen. Doch wir kämpfen weiter darum, um den Schmerz der Enttäuschung nicht erleben zu müssen. Hier greift das Konzept des „Inneren Kindes“. Sich bewusst zu werden, was unser „Inneres Kind“ eigentlich braucht, ist der Schlüssel, um zu heilen und unseren Partnern*innen liebevoll und auf Augenhöhe zu begegnen.

Ich habe Recht!
Kampf um die eigene Position

Das Miteinander ist geprägt durch Polaritäten: Geben – Nehmen, Folgen – Führen, Nähe – Distanz, Flexibilität – Verbindlichkeit… Wer besetzt welchen Pol? Streitmuster entstehen, wenn beide um ihre Position kämpfen und den von ihnen besetzen Pol als wichtiger einordnen. Die Balance fehlt und die Beziehung erstarrt. Eine lebendige und erfüllte Beziehung braucht von beiden Partnern*innen die Fähigkeit, beide Pole zu besetzen. Dadurch bleiben Beziehungen lebendig und die Partner ergänzen und bereichern sich gegenseitig.

Komm her – geh weg!
Angst vor Nähe

Wenn wir als Kinder unsere Eltern oder Bezugspersonen nicht als verlässlich erlebt haben, brauchen wir eine gewisse Distanz, um uns in Beziehungen sicher zu fühlen. Dann kann ein Streit dazu dienen, wieder ein bisschen Raum zu gewinnen. Das ist auch völlig in Ordnung. Aber Streit ist nicht gerade das optimale Mittel. Wenn ich mir klar darüber bin, dass Distanz für mich wichtig ist, kann ich lernen, sie auf eine empathische Art und Weise herzustellen, ohne meine*n Partner*in zu verletzen. So entsteht ganz automatisch Nähe und die Beziehung wird liebevoller.

Ich will dich spüren!
Streit als Verbindung

Streit erzeugt Reibung. Und das kann – auch wenn es uns nicht bewusst ist – wie Kit in einer Beziehung wirken. Ganz nach dem Motto, lieber Streit als gar keinen Kontakt, dient der Streit dazu, eine Verbindung zum Anderen herzustellen. Hier geht es eigentlich um Nähe, Miteinander, Gemeinschaft. 

Streit ist nicht per se schlecht. Konflikte sind normal und notwendig. Doch wenn aus Konflikten destruktive Auseinandersetzungen werden und negative Streitspiralen entstehen, kann das auf Dauer großen Schaden anrichten.

Streitmuster zu erkennen und aufzulösen kann schmerzhaft sein und ist Arbeit. Aber wenn sich die Fronten verhärten, Streit zu viel Raum einnimmt und zu viel Energie raubt, ist es Zeit, unter den Teppich zu schauen. Dabei geht es darum, eine Antwort auf die Frage „Was fühle ich wirklich“ zu finden. Verdrängte und ungelebte Gefühle wirken wie Brandbeschleuniger für Auseinandersetzungen und sorgen für Distanz. Lassen wir sie aber zu und sind wir bereit, sie statt der Wut zu fühlen – egal wie unangenehm sie sind – kann Nähe und Verständnis füreinander entstehen.

Hier eine kleine Übung dafür: 

Nehmen Sie sich nach einer Auseinandersetzung einen Moment Zeit und spüren Sie nach, welches Gefühl unter Ihrem Ärger oder Ihrer Wut liegen könnte und tauschen Sie sich mit Ihrer*m Partner*in darüber aus. Die beschriebenen sechs Ursachen können Ihnen bei Ihrer Suche als „Geländer“ dienen.

Bleiben Sie neugierig. Herzliche Grüße
Ute Hofmann

P.S. Falls Sie Fragen dazu haben oder mit mir gemeinsam unter den Gefühls-Teppich schauen möchten, rufen Sie mich gerne an oder schreiben Sie mir eine Email.

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